Wunsch, den Armen zu dienen
Ich bin in einer Großfamilie mit 8 Geschwistern aufgewachsen. Wir hatten eine Landwirtschaft und so mussten wir alle früh bei der Arbeit zupacken. In mir war seit meiner Kindheit der Wunsch den Armen zu helfen. Die Ungerechtigkeit in der Welt machte mich oft traurig und ich dachte, warum können wir nicht alle Geschwister sein.
Ich studierte Religionspädagogik, wollte heiraten, viele Kinder und immer ein gastfreundliches offenes Haus haben. Bald fand ich „den Mann meines Lebens“. Wir dachten daran zu heiraten und begannen Zukunftspläne zu schmieden. Aber eigenartigerweise spürte ich in mir eine tiefe, innere Unruhe. Bei einem Jugendfranziskusfest in Sießen, sprach Gastredner Jean Vanier, der Gründer der Archegemeinschaft, in der behinderte und nichtbehinderte Menschen gleichberechtigt zusammenleben. Seine Worte von der Liebe Gottes besonders für die Armen wühlten mich innerlich auf. Eineinhalb Jahre lang kämpfe ich innerlich. Ich wollte auf der einen Seite nicht meinen Freund verlieren und andererseits zog es mich innerlich in eine ganz andere Richtung.
Bei Jugendexerzitien in Assisi spürte ich, dass Gott vielleicht etwas ganz anderes mit mir vor hatte als ich dachte. Zum ersten Mal im Leben sagte ich zu Jesus: „Ich will für mich, was Du willst, aber hilf mir bitte zu erkennen welcher Weg es ist und was ich tun soll!“ Mein Freund war mir dabei eine große Hilfe und zeigte viel Verständnis. Ich habe Gott während eines Gottesdienstes gebeten, dass ich meinen Freund ganz loslassen kann, was für mich allerdings sehr schwer war. Ich war inzwischen 26 Jahre alt, arbeitete als Religionslehrerin und führte ein unabhängiges Leben. So stellte sich nach vielen Gesprächen mit einer Ordensschwester aus Sießen heraus, dass ich vielleicht eine Berufung als Franziskanerin hatte.
Franziskanerin mitten unter Aussiedlern aus Russland
Mit 27 Jahren entschied ich mich Franziskanerin zu werden. Das erste Jahr im Kloster war sehr hart, aber allmählich spürte ich einen inneren tiefen Frieden. In den ersten Jahren arbeitete ich in der Pastoral, danach ging es zu Aussiedlern aus Russland. Wir lebten und arbeiteten mit ihnen auf engstem Raum.
Drogenabhängige Jugendliche in Brasilien – gelebtes Wort Gottes befreit
Neun Tage nach der Ewigen Profess ging es nach Brasilien, um mit drogenabhängigen Jugendlichen auf dem „Hof der Hoffnung“ zu leben und zu arbeiten. 5 Jahre lang arbeitete ich in einem Hospiz für aidskranke Menschen im Endstadium, sah viele junge Menschen an dieser Krankheit sterben und durfte viele berührende Gespräche und Stunden mit ihnen verbringen. Schließlich kam ich in den Norden Brasiliens, in eine sehr arme Gegend und durfte dort wieder drogen- und alkoholabhängigen Jugendlichen dienen, die versuchten sich von dieser Sucht zu befreien. Dabei hat mich fasziniert, wie das gelebte Wort Gottes fähig ist Menschen aus den tiefsten Abhängigkeiten zu befreien. Viele psychisch belastete Menschen begleite ich im Gespräch und versuche zu helfen wo es geht. Derzeit lebe ich in einem armen Vorstadtviertel mit drei Mitschwestern in einem Konvent und jeden Tag dürfen wir den armen Jesus auch ganz konkret an unserer Türe aufnehmen, ihm Nahrung, Kleidung oder einfach ein offenes Ohr schenken. Ein besonderes Anliegen sind uns die Kinder und Jugendlichen, die oftmals schon sehr früh mit Drogen, Prostitution und Alkohol in Berührung kommen. Wir laden sie zu Workshops und Präventivarbeit ein.
Was macht wirklich glücklich?
Jedenfalls kann ich heute, mit 59 Jahren sagen, dass ich sehr gerne Franziskanerin bin und Gott dankbar bin, dass er besser gewusst hat was mich wirklich innerlich glücklich macht.
Sr. Theresina Fehrenbacher gehört seit mehr als 20 Jahren zur brasilianischen Provinz unserer Gemeinschaft.